Augensalbenstempel des L. Iunius Philinus
Die sogenannten Augensalbenstempel scheinen eine Besonderheit der gallo-römischen Augenärzte gewesen zu sein. Jede ihrer vier Schmalseiten trägt in Spiegelschrift einen meist zweizeiligen Text mit dem Namen des Arztes (oder des Herstellers) der Salbe sowie des Augenleidens, gegen das sie wirken soll. Das Heilmittel selbst wurde wahrscheinlich mit Gummi gebunden und in Form eines kleinen Brötchens (griechisch: kollyrion) gebracht. Dieses versah man im halbfesten Zustand mit dem entsprechenden Stempelaufdruck, der dann seitenrichtig zu lesen war. Für die Anwendung mussten die Kollyrien in Milch, Eiweiß oder Wasser aufgelöst werden.Der Name auf diesem Stempel (Lucius Iunius Philinus) deutet auf griechische Abstammung hin. Auf den vier Seiten werden folgende Arzneien angeführt (jeweils nach vorangestelltem "Des L. Iunius Philinus"): Seite a) Vitriolsalbe zur Behebung von Affektionen, b) Hammerschlagsalbe gegen Rauheiten (Trachom) und Narben, c) Myrrhenbalsamsalbe für die Klarheit (des Auges) und d) Krätzensalbe gegen vereiterte Lider und ebenfalls für die Klarheit.
Title:
Augensalbenstempel des L. Iunius Philinus
Time:
2. - 4. Jh. n. Chr.
Object Name:
Augensalbenstempel (Augenarztstempel, Okulistenstempel)
Culture:
Römisch
:
Nasium (Naix-en-Barrois, Frankreich)
Material/technology:
Steatit, grün
Dimensions:
4,75 cm × 4,37 cm × 1,1 cm
Inscribed:
Transkription:
Seite a) L(ucii) IVNI(i) PHILINI DIAM | ISVS AD [[DIA]] DIATHE(is) TOL(lendas) ←
Seite b) L(ucii) IVNI(i) PHILINI DIALE | PIDOS AD ASPR(itudines) ET CICAT(rices) ←
Seite c) L(ucii) IVNI(i) PHILINI STAC | TVM OPOB(alsamum) AD CLARIT(atem) ←
Seite d) L(ucii) IVNI(i) PHILINI DIAPSO | RICVM AD GEN(as) SCIS(sas) ET CL(aritates) ←
Übersetzung:
a) Von Lucius Iunius Philinus, auf Basis "misy", um die Störungen verschwinden zu lassen
b) Von Lucius Iunius Philinus, auf Basis "Schuppe", für die Rauheiten und die Narben
c) Von Lucius Iunius Philinus, "stactum", mit Balsamsaft, für die Klarheit
d) Von Lucius Iunius Philinus, auf Basis "psoricum", für die vereiterten Augenlider und die Klarheiten
(bei "misy", "Schuppe", "stactum" und "psoricum" handelt es sich um aus Kupfer gewonnene Zutaten)
Transkription, Übersetzung und Anmerkungen: Muriel Labonnelie, Université de Bourgogne, Juli 2024
Copyright:
Kunsthistorisches Museum Wien, Antikensammlung
Invs.:
Antikensammlung, III 179
Provenance:
Denis, Cl. F.; 1814 Kauf