1617, um 1721
Lange Zeit galt dieses Schweißtuch der Veronika als das wichtigste Heiligtum der Geistlichen Schatzkammer in Wien. So wird es folgerichtig im ältesten erhaltenen Inventar von 1758 unter der Nummer 1 angeführt. Es befand sich damals im ersten Kasten der Geistlichen Schatzkammer, also dort, wo die "vornehmsten Reliquien" aufbewahrt wurden. Das Christusbild gelangte am 22. Februar 1721 als Geschenk von Catarina Savelli an Kaiser Karl VI. nach Wien. Die Familie Savelli zählte zu den ältesten und angesehensten Adelsgeschlechtern Roms und stellte mit Honorius III. und Honorius IV. auch zwei Päpste des 13. Jahrhunderts. Nach Savellischer Familientradition soll das Schweißtuch von einem Ahnen der Familie mit Namen Volusianus von Jerusalem nach Rom gebracht worden sein und sich in der Folge über Jahrhunderte im Besitz der Familie befunden haben. Damit führt sich das Geschlecht der Savelli just auf jenen Volusianus aus der Legenda aurea (bzw. der Cura Sanitatis Tiberii) zurück, der vom kranken Kaiser Tiberius nach Jerusalem geschickt worden sein soll, um Jesus zu finden, von dem er sich Heilung erhoffte. Da Jesus aber bereits gekreuzigt worden war, soll Volusianus Veronika und ihr Schweißtuch nach Rom gebracht haben; der Kaiser wurde beim Anblick der Reliquie geheilt. Am kaiserlichen Hof war man sich durchaus bewusst, dass der Vatikan den Besitz dieser Tuchreliquie für sich in Anspruch nahm; man erklärte sich die Möglichkeit der Existenz mehrerer Schweißtücher aber damit, dass das Tuch ursprünglich mehrfach gefaltet gewesen war, weshalb es bei einer Trennung der Lagen mehrere authentische Schweißtücher geben konnte. So erhoffte man sich am Wiener Hof von dieser Reliquie besondere, Heil bringende Wirkung. Daher war das Schweißtuch etwa am Sterbebett der Witwe Kaiser Karls VI., Elisabeth Christine, und in den Gemächern Maria Theresias bei ihren Entbindungen vorhanden, es wurde aber auch jährlich in der Karwoche am aufgerichteten Heiligen Grab präsentiert. Beim Wiener Schweißtuch handelt es sich freilich in Wirklichkeit wohl um eine von fünf Kopien, die im Jahr 1616 vom vatikanischen Schweißtuch angefertigt wurden, bevor Papst Paul V. 1617 jegliche weitere unautorisierte Kopiertätigkeit unter Androhung der Exkommunikation verbot.
Reliquiar
Rom (?), 1616 und Wien, nach 1721 (Silberrahmen)
1617, um 1721
Kupfer, vergoldet, Ebenholz, Perlmutter, Silber, teilweise vergoldet, Onxykameen, Kameen
H. 39 cm, B. 28 cm
Rahmenmaße: H. 59,5 cm, B. 48 cm
"S(UB) D(OMINUS) N(OSTRUM) PAULUS PAPA V. PRAESUMENTIBUS SINE LICENTIA AB IPSO VEL SUCCESORIBUS CONCEDENDA EXEMPLUM SUMERE HUIUS IMAGINIS ANATHEMA DIXIT ANNO DOMINI MDCXVII. P. STROZA"
Wr. Repunze 1806/07; Wr. Befr. stempel 1809/10
Kunsthistorisches Museum Wien, Geistliche Schatzkammer
Schatzkammer, GS D 108
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