Johannes Kleberger (1486-1546)

1526 datiert, Künstler/in: Albrecht Dürer

 

 

Johannes Kleberger (1486-1546)

Zwei Jahre vor seinem Tod schuf Dürer mit dem 1526 datierten Bildnis des Johannes Kleberger (1486 – 1546) eines seiner ungewöhnlichsten Gemälde, das ohne jeden Vergleich in der zeitgenössischen Porträtmalerei ist. Was zunächst wie das Flachrelief einer Medaille vor hellgrauem Grund aussieht, entpuppt sich erst bei näherem Hinsehen als vollrunde Büste, die auf einem kreisrunden Mauerausschnitt vor einem Hintergrund aus farbigem Stein steht. So vexierbildhaft die Malerei hier zwischen Flachrelief und Vollplastik changiert, so paradox mutet es auch an, dass die gemalte Skulptur zu leben scheint. Damit schuf Dürer einen höchst originellen Beitrag zu dem bereits in der Antike begegnenden Thema des Paragone, dem Wettstreit der Künste, bei dem er offenbar der Malerei den Vorzug vor der Skulptur einräumt. Seine kühne Bildidee wird Dürer zusammen mit dem durchaus als exzentrisch zu bezeichnenden Dargestellten entwickelt haben, der im selben Jahr, in dem Dürer ihn in Nürnberg malte, auch zwei Bildnismedaillen von sich in Auftrag gab. Auf diesen möglicherweise ebenfalls von Dürer entworfenen Medaillen erscheint Kleberger abermals als nackte Büste mit kurzen Haaren, doch ins Halbprofil gewandt. Der Porträtierte, der aus einfachen Nürnberger Verhältnissen stammte, war nach geschäftlich höchst einträglichen Jahren in Bern und Lyon nur kurz zuvor in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Dort wurde Kleberger jedoch als Emporkömmling argwöhnisch beäugt, gerade auch wegen seiner beharrlich verfolgten Bemühungen, Felicitas Pirckheimer, die Witwe seines verstorbenen Dienstherrn Hans Imhof, zur Frau zu nehmen. Erst 1528 sollte ihr Vater Willibald Pirckheimer, ein Patrizier und enger Freund Dürers, seinen Widerstand gegen diese aus seiner Sicht nicht standesgemäße Heirat aufgeben. Nicht nur die Wahl Dürers erscheint vor diesem Hintergrund als wohlkalkuliert, sondern auch die gemalten und gegossenen Bildnisse selbst bezeugen den dezidierten Willen Klebergers, die in Nürnberg bestehenden Zweifel an seinem Charakter und seinen Fähigkeiten zu zerstreuen. Dies betrifft zunächst die Wahl der auf antike Kaisermünzen anspielenden nackten Büste, die sich als Darstellungsform in humanistischen Kreisen großer Beliebtheit erfreute. Dass die schlichte Nacktheit darüber hinaus noch programmatisch die Tugendhaftigkeit und Reinheit des Dargestellten verbildlichen soll, verraten die Rückseiten der beiden Bildnismedaillen: Die dort gezeigten Waffenarrangements werden jeweils von Sinnsprüchen begleitet, denen zufolge die gottgegebene Weisheit jeder Kriegskunst überlegen sei. Auf beiden Medaillen begegnet schließlich auch das astronomische Zeichen, das sich auf dem Gemälde am Ende der umlaufenden Inschrift gleich nach der Altersangabe findet. Es steht nach Agrippa von Nettesheim für die Konjunktion der Sonne mit dem Regulus, dem hellsten Stern im Sternbild des Löwen („sol in corde leonis“), dessen Tierkreiszeichen zudem in der oberen linken Bildecke erscheint, wo es von sechs Sternen umringt wird. Nach Auffassung der Astrologen waren die unter dieser Konjunktion Geborenen, zu denen sich offenkundig auch Kleberger rechnen konnte oder wollte, zu Höherem bestimmt. In den energischen Zügen und der vorgewölbten Stirn will Dürer letztlich wohl auch physisch den „löwenhaften“ Charakter des Dargestellten zum Ausdruck bringen. Ob diese Bildniskampagne dazu beitrug, Pirckheimer umzustimmen und der 1528 erfolgten Heirat seinen Segen zu geben, kann nicht beurteilt werden. Zu dessen Entsetzen verließ Kleberger seine Frau jedoch bereits im folgenden Jahr und lebte fortan hauptsächlich wieder in Lyon. Dort stieg er sogar zum Kammerjunker des französischen Königs auf und zählte, als er 1546 verstarb, zu den reichsten Bürgern der Rhônestadt. Guido Messling [7.1.2018]

Derzeit ausgestellt: Kunsthistorisches Museum Wien, Saal XI

Objektdaten

Objektbezeichnung

Gemälde

Kultur

Deutsch

Datierung

1526 datiert

Künstler/in

Albrecht Dürer (1471 Nürnberg - 1528 Nürnberg) - GND

Material/Technik

Lindenholz

Maße

Bildmaß: 36,5 × 36,5 cm

Rahmenmaße: 49 × 48 × 4,5 cm

Signatur

Bez. rechts oben mit dem Monogramm; dat. 1526

Beschriftung

In den Ecken: links oben Tierkreiszeichen des Löwen in sechs Sternen, links unten Wappen; rechts unten Helm mit Wappenmännchen; Inschrift: E (FFIGIES). IOAN(N)I. KLESBERGERS. NORICI. AN(N)O. AETA(TIS). SVAE. XXXX.; sowie Zeichen des Regulus (im Sternbild des Löwen)

Bildrecht

Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie

Inv. Nr.

Gemäldegalerie, 850

Provenienz

Bis 1564 David Kleberger, Lyon; Bis 1588 Slg. Willibald Imhoff, Nürnberg; 1588 von Rudolf II. erworben

Abbildung/Person

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