Büßender hl. Hieronymus

1502 datiert, Künstler/in: Lucas Cranach d. Ä.

 

 

Büßender hl. Hieronymus

Hieronymus (um 347 – 420) genoss dank seiner umfassenden Bildung das besondere Vertrauen von Papst Damasus I., in dessen Auftrag er die lateinische Übersetzung der Bibel, die Vulgata, schuf. Wegen seiner Tätigkeit für den Papst figurierte der als einer der Kirchenväter verehrte Heilige fast durchweg auch als Kardinal, obgleich er diesen Rang tatsächlich nie bekleidete. Die scharlachrote Amtstracht kennzeichnet ihn üblicherweise selbst in jenen Darstellungen, auf denen er in der Einöde Buße für jene Sünden tut, die er während seiner Jahre in Rom begangen hatte. Auf Cranachs Bild hat er sich des Kardinalshutes und der Cappa scheinbar achtlos entledigt, um sich mit entblößtem Oberkörper vor einem Kruzifix kniend geißeln zu können. Das 1502 entstandene Tafelbild ist das erste datierte Gemälde, das wir von Cranach kennen. Der Maler, der zu dieser Zeit schon etwa dreißig Jahre zählte, war damals in Wien, in den Gelehrtenkreisen um den „Erzhumanisten“ Konrad Celtis, tätig. Als Auftraggeber oder Empfänger des Bildes ist daher der Humanist Johannes Fuchsmagen, aber auch Johannes Cuspinian vorgeschlagen worden, der sich gemeinsam mit seiner Gattin Anna Putsch ebenfalls von Cranach malen ließ (heute Winterthur). Wie die sog. Schottenkreuzigung (GG 6905) führt die Tafel exemplarisch die expressive Formensprache von Cranachs Wiener Jahren vor, an die Künstler der sogenannten „Donauschule“ wie Altdorfer in seinen frühen Werken anknüpfen sollte. Reminiszenzen an den spätgotischen Expressionismus lassen sich ebenso greifen wie der tiefe Eindruck der nur wenig älteren Holzschnitte Dürers. Auf letztere verweisen besonders die Zusammensicht von Mensch und Natur und die markante Dynamisierung oder Belebung der Bildelemente, doch geht Cranach in der Konsequenz noch über Dürer hinaus. In dem weit zum Schlag ausholenden Arm und dem Griff in den mächtigen, aus fließenden Strähnen geformten Bart findet die heftige seelische Erregung des knienden Büßers einen sprechenden Ausdruck, eine Erregung, die in den unruhig-kräuselnden Blättern oder Zweigen, vor allem aber in den wirbelnden Falten seines Gewandes ein Echo zu finden scheint. Bei dem sich aufbauschenden Schurz des Kruzifixes wird diese Belebung der Form geradezu sprichwörtlich, denn durch sie gewinnt das Abbild Christi einen gesteigerten Realitätsgrad. Die Raubkatze, die sich der Legende nach in den Dienst des Kirchenvaters stellte, nachdem dieser sie von einem Dorn in der Pranke hatte befreien können, geht auf Dürers Kupferstich des büßenden Hieronymus zurück, in dem das Tier allerdings seinen Blick nicht auf den Betrachter richtet. Auch die sichelförmigen und flächig ausgebreiteten Astformationen finden sich letztlich in Dürers Holzschnitten der Jahre um 1500, etwa denen der Apokalypse, vorbereitet. [Guido Messling]

Derzeit ausgestellt: Kunsthistorisches Museum Wien, Kabinett 16

Objektdaten

Objektbezeichnung

Gemälde

Kultur

Deutsch

Datierung

1502 datiert

Künstler/in

Lucas Cranach d. Ä. (1472 Kronach - 1553 Weimar) - GND

Material/Technik

Lindenholz

Maße

Bildmaß: 56 × 41,5 × 0,8 cm

Rahmenmaße: 69,5 × 54,5 × 5 cm

Signatur

dat. unten Mitte: 1502

Bildrecht

Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie

Inv. Nr.

Gemäldegalerie, 6739

Provenienz

Kloster Mondsee (?); bis 1927 Bischöfliche Residenz Linz; 1927 erworben

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