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Zur Publikation von Stephan Turmalin 
„Die Sammlung alter Musikinstrumente des KHM in Wien während der Zeit des Nationalsozialismus“, Wien 2018

Eine Gegendarstellung

Die Publikation Turmalins erzählt folgende Geschichte: 

1.) Die Sammlung alter Musikinstrumente (SAM) wurde nicht 1916 gegründet, sondern ist von ihrer Idee her eine Gründung aus der NS-Zeit. (Turmalin 2018, S. 27ff) 
2.) Die SAM hat sich 1938 aus der Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde (GdM) 500 Instrumente einverleibt und damit ihren Bestand verdreifacht. Diese Instrumente wurden nie zurückgegeben und befinden sich bis heute unrechtmäßig im Besitz des KHM. (Turmalin 2018, S. 7, 34 etc.)
3.) Die heute Verantwortlichen der SAM setzen die Tradition und das „Narrativ“ aus der NS-Zeit unhinterfragt fort. (Turmalin 2018, S. 97ff)

Zu 1.) 
Die Sammlung alter Musikinstrumente wurde im Herbst 1916 von Julius von Schlosser, dem Direktor der Sammlungen von Waffen und Kunstindustriellen Gegenständen des Allerhöchsten Kaiserhauses gegründet (HHStA, OKäA, Akt 4000 ex 1916, p.54) und vom Oberstkämmereramt bestätigt.

Dieses historische Faktum wird von Turmalin in Frage gestellt und zu einem Gründungsmythos verklärt. Abgesehen davon beantwortet sich die Frage ob er in seiner Publikation „konzise Mythendekonstruktion“ betreibt (Turmalin 2018, 7) beim aufmerksamen Lesen des Vorwortes des 1920 publizierten Katalogs der Sammlung alter Musikinstrumente von Julius Schlosser von selbst. So zählt Schlosser neben den großen Sammlungen in Berlin und Kopenhagen alle ihm bekannten Museen auf, die Musikinstrumente im Bestand haben, betont aber: „diese Sammlungen sind nicht selbständig, bilden bloße Annexe und sind entweder gar nicht oder nur sehr dürftig katalogisiert“ (Schlosser 1920, 6). Genau diesen Annex-Charakter der SAM zur Sammlung von Waffen und Kunstindustriellen Gegenständen des Allerhöchsten Kaiserhauses anstelle der Gründung einer eigenen Sammlung glaubt Turmalin erst neuerdings entdeckt zu haben (Turmalin 2018, 15f). 
Schlosser schreibt jedoch – indem er sich auf die Zusammenführung der Instrumente aus altem habsburgischem Besitz (Ambras) und jener aus der Estensischen Sammlung Franz Ferdinands bezieht – ganz konkret: „Diese Erwägungen zusammen mit den eingangs erwähnten Gründen bestimmten den Verfasser im Jahr 1916, den Gedanken einer Vereinigung der gesamten, nunmehr in einheitlichem Besitz befindlichen Bestände zu erfassen, die wiewohl einzeln sehr wertvoll, doch unvollständig, einander auf das glücklichste ergänzen und auch durch manche neuere Erwerbungen (besonders auf der Versteigerung des Amerlingschen Nachlasses) vermehrt worden waren. Der Gedanke dieser neuen Schöpfung – denn es handelt sich wirklich um eine solche – fand durch die damaligen Hofbehörden verständnisvolle Würdigung und Förderung: die neu entstandene Sammlung kann die Rückgewinnung zweier wertvoller Stücke, der Maria-Theresia-Geige (Nr. 100) und der aus Schloß Ambras stammenden Hausorgel (Nr. 132) verzeichnen.“ (Schlosser 1920, 7 [Hervorhebung durch die Autoren]) Diese Passage lässt keine andere Interpretation zu, als die einer von Schlosser intendierten Sammlungsneugründung. Diese Neugründung wurde auch im Ausland wahrgenommen und positiv kommentiert. So etwa in den „Randnoten zum Katalog des neuen Wiener Instrumentenmuseums“ von Georg Kinsky (1921) und von Curt Sachs, der sie in seiner Schrift „Das neue Wiener Instrumentenmuseum“ (1920/21) würdigend rezensiert. 

Von einem Historiker wäre zu erwarten, zu wissen, dass es nicht im Denkrahmen der Zeit lag, eine neugegründete Sammlung, die sich 1916 noch in einem höfischen Gesamtinventar wiederfand, verwaltungstechnisch zu separieren. Da die von Schlosser geleitete Sammlung am Hof als ein großes Ganzes gesehen wurde, mutet die Suche Turmalins nach einem „eigenen Briefpapier“ der SAM (Turmalin 2018, 19) zu dieser Zeit befremdlich an.
Turmalin bemüht sich, das Gründungsdatum der SAM auf der KHM-Homepage zu finden, und schreibt, dass ausschließlich das Jahr 1914 dort genannt würde, das aber dem von ihm angezweifelten Gründungsjahr 1916 nicht entspräche (Turmalin 2018, 14). Dabei übersieht er, dass die Homepage inhaltlich nicht über das Gründungsjahr der Sammlung Auskunft gibt, sondern die Zeitpunkte der Zugänge der drei historischen Sammlungskerne in das Museum thematisiert. 

Auch dass Schlosser ein eigenes Katalogisierungssystem kreiert, aus dem heraus ein modernes Inventar für die neugegründete Sammlung fortan erwachsen sollte, ist Turmalin unbekannt (Turmalin 2018, 18). Um diese Idee Schlossers zu erkennen, hätte es gereicht, seinen Katalog aus 1920 genau durchzusehen, denn die N.E.-Nummern stehen für die jeweils aktuellen Akquisitionen. 
Besonders irritierend ist Turmalins Interpretation der historischen Akten aus der Kunstkammer (KK) des KHM. Ihnen entnimmt er die Prämisse, dass Julius Schlosser „kein Museumskonzept und -narrativ“ (Turmalin 2918, 26) gehabt hätte und begründet sie damit, dass Schlosser nur „in sich geschlossen zwei verschiedene habsburgische Instrumentensammlungen“ (Turmalin 2018, 26f) isoliert aufgestellt habe. Als Conclusio formuliert Turmalin seine Hauptthese, dass die heutige SAM „von der NS-Kulturpolitik geprägt“ sei (Turmalin 2018, 27) statt sich auf das Schlosser’sche Narrativ zu beziehen. 
Abgesehen davon, dass Publikationen zum Sammlungskonzept Schlossers vorliegen, denen eindeutig zu entnehmen ist, welche inhaltlichen Schwerpunkte der Kunsthistoriker in seiner Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit bezüglich der Musikinstrumente setzte, genügt ein Blick in den „Führer durch die Sammlung alter Musikinstrumente“ aus 1933, um festzustellen, dass Schlosser keineswegs zwei Habsburger-Sammlungen verbindungslos nebeneinander aufstellte (nebenbei sei erwähnt, dass die Estensische Sammlung keine der Habsburger war). Außerdem stammte im gesamten ersten Raum der Ausstellung nur ein einziges Instrument von zehn präsentierten Objekten aus einer der von Turmalin genannten Sammlungen. Schlosser spannt einen konzisen Handlungsbogen, der von der Frage nach der ästhetischen Identität der Musik ausgeht und thematisiert folglich die Paradigmenwechsel in der Musik vom Naturschönen zum Kunstschönen zum Erhabenen. Turmalin irrt auch mit seiner Conclusio, die er als Hauptthese bezeichnet, da die heutige Ausstellung inhaltlich vollkommen anders konzipiert ist als die Ausstellungen von Schlosser und Klapsia bzw. Luithlen.

Zu 2.) 
Vorauszuschicken in diesem Punkt ist die Tatsache, dass die Idee, in Wien ein großes Musikmuseum zu schaffen, bereits 1934 von Alfred Stix, dem damaligen Direktor des KHM, geäußert und auch später vor 1938 mehrmals ventiliert wurde. (Wie von Herbert Haupt, Die Geschichte des Hauses am Ring, 1991, 117 erwähnt und von Turmalin (S. 20 ff) wiederholt.) Dieser Gedanke war also keine Erfindung des NS-Systems, er lag bereits mehrere Jahre in der Luft und wurde von Kajetan Mühlmann, Fritz Dworschak, Franz Schütz und Fritz Zoder aufgegriffen und mit den bekannten diktatorischen Mitteln umgesetzt. Daher war der 37jährige Amanuensis („Handlanger“) der GdM Victor Luithlen nicht verantwortlicher Akteur dieses Projekts. (Auf die Rolle Luithlens soll hier nicht eingegangen werden, da dies einer eigenen für 2019 vorgesehenen Publikation vorbehalten ist.) Die Instrumentensammlung der GdM wurde vom ebenfalls kommissarisch geführten KHM übernommen und ins Palais Pallavicini transferiert. Aber – und dies sei hier besonders betont – die Objekte wurden eben NICHT in den Bestand des KHM aufgenommen, sondern auf Anordnung dem KHM als Leihgaben übergeben, wobei „das Eigentumsrecht der GdM grundsätzlich gewahrt“ blieb (Die Sammlung alter Musikinstrumente. Die ersten 100 Jahre, Wien 2018, S. 25). Auch alle anderen, rechtsstaatlich höchst fragwürdig requirierten Instrumente, wie jene aus den Stiften Göttweig und Herzogenburg sowie aus jüdischem Privatbesitz – etwa die Sammlung Rothschild – wurden von der SAM damals stets als Leihgaben geführt und nie ins Hauptinventar des Museums übernommen. 
Turmalin schreibt hingegen mehrmals, dass sich in den Jahren 1938 bis 1945 der Bestand der SAM verdreifacht habe. Dadurch gewinnt der Leser den Eindruck, die „entwendeten“ Instrumente seien ins Inventar der SAM übernommen worden und befänden sich noch heute dort (Turmalin 2018, 34). Ebenso unwahr ist, dass die SAM der GdM erst ab den frühen 1970er Jahren Zugriff auf ihre Objekte ermöglichte (Turmalin 2018, 34). Zahlreiche Ausstellungen und Konzerte der GdM in den 50er und 60er Jahren belegen den regen Leihverkehr.

Die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen wird dadurch verstärkt, dass in der Publikation Turmalins essenzielle Fakten unerwähnt bleiben: Nämlich, dass 1950 ein Verwahrungsabkommen zwischen dem Ministerium und der GdM geschlossen wurde; dass bei den Verhandlungen vom Ministerium der Direktion der GdM die Rückstellung der gesamten Sammlung angeboten, dies aber von der GdM nicht zuletzt aus Platzmangel ausgeschlagen wurde. Natürlich hatte der Kustos Victor Luithlen (der erst 1952 verantwortlicher Direktor wurde) Interesse, die Leihgaben der GdM in der Neuen Burg zur Gestaltung einer attraktiven Ausstellung zu behalten und gab es aufgrund zeittypischer bürokratischer Handlungsweisen Verwerfungen zwischen den Institutionen. Doch während mehrerer Jahre bis zu Luithlens Pensionierung 1966 wurden Instrumente der GdM für Festwochenkonzerte vom KHM restauratorisch betreut, spielbar gemacht, transportiert und gestimmt. Im Frühjahr 1971 wurden von den ehemals 498 transferierten Objekten in drei Tranchen 300 nicht ausgestellte Objekte retourniert. Einvernehmlich verblieben 168 Instrumente der GdM bis 1988 in der Ausstellung. Der Leihvertrag wurde unter Wilfried Seipel 1991 erneuert, wobei weitere 60 Instrumente retourniert wurden, um die geplante Neuaufstellung der SAM zu verschlanken. Diese Objekte wurden auf Bitte des Archivdirektors der GdM Otto Biba vom KHM sechs Jahre im Depot der SAM aufbewahrt, weil vor Fertigstellung des Tiefspeichers in der GdM selbst kein Platz für eine adäquate Lagerung war. 

Am Rande soll hier auf die im Kap. IV. dargelegte Darstellung der „Veranstaltungspolitik der SAM unter Viktor Luithlen“ eingegangen werden, die Luithlen als aktiven Promotor der NS-Propaganda nennt (Turmalin 2018, 92). 
Luithlen war 1939 ein relativ junger wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem autoritären Beamtensystem, der bis Kriegsende in der SAM immer einem Vorgesetzten unterstellt war. Zwar wird Heinrich Klapsia als Leiter der SAM namentlich erwähnt; den auf ihn folgenden Leiter Erich Strohmer scheint Turmalin gar nicht zu kennen. Luithlen wurde Anfang Oktober 1942 zum Kustos ernannt, und wurde erst 1952 Direktor. Es zeugt von Unkenntnis des autoritären Beamtensystems, dass Turmalin einem untergeordneten Beamten das hauptverantwortliche Pouvoir für NS-Propaganda innerhalb des Museumsbetriebes zuschreibt. Ganz konträr dazu fiel Luithlen, wie dem Gauakt (OeStA) zu entnehmen ist, durch mangelndes parteipolitisches Engagement auf und wurde deshalb zu Vernehmungen vorgeladen.

Zu 3.) 
Im Gegensatz zu den im Titel der Publikation geweckten Erwartungen, nämlich eine seriöse Analyse der Rolle der SAM im Nationalsozialismus (S. 56–96) zu erhalten, überwiegen umfangmäßig die eigentlich marginalen Kapitel zum „Gründungsmythos“ (S. 7–55) und zur Diskussion über das „Haus der Geschichte Österreich“ (HdGÖ) (S. 97–109).
Besonders problematisch ist Kap. V. „Exkurs: Die SAM als Narrativ“. Darin wird einleitend der Widerstand gegen die Schließung der SAM als parteipolitisch motivierte Agitation einiger lautstarker Akteure im Umfeld der Wiener Gemeinderatswahl im Herbst 2015 dargestellt, die „zusammengefasst eines nicht wollten: Jegliche Veränderung der Museumslandschaft in Wien.“ (Turmalin 2018, 97). Dass die von Peter Donhauser, dem vormaligen Direktor des Technischen Museums initiierte Petition weltweit in wenigen Wochen 6.600 Unterstützer (mit z.T. sehr betroffenen persönlichen Kommentaren) fand, wird von Turmalin nicht einmal erwähnt, obwohl er die Petition laut einer Fußnote kennt (Turmalin 2018, 99 FN 308). 
Die internationale Relevanz der SAM stellt Turmalin als Konstrukt der Museumsmitarbeiter aus 2015 dar. Dazu beruft er sich noch einmal auf Schlosser: „In dem 1920 erschienen Gesamtverzeichnis von Julius Schlosser sprach dieser in einem weitaus bescheideneren Ton über die SAM. Darin wurde sie als eine kleine, im Vergleich zu anderen europäischen Sammlungen, unbedeutende Sammlung beschrieben“ (Turmalin 2018, 97f). Den aus der Sicht Turmalins unzulässig auf Übertreibung basierenden Texten des KHM aus der jüngeren Sammlungsgeschichte, die die Einmaligkeit und weltweite Bedeutung der SAM hervorstreichen, wird zuletzt der „bescheidene“ Schlosser gegenübergestellt. Doch das von Turmalin veröffentlichte Schlosser-Zitat ist nur unvollständig wiedergegeben – symptomatisch für den wiederkehrenden tendenziösen Duktus seiner Publikation. Das Zitat wird absichtlich verkürzt und dadurch inhaltlich entstellt: „Nun lässt sie sich freilich, was die Zahl ihrer Objekte (ca. 360 Stück) anbelangt, kaum einer der oben erwähnten Sammlungen an die Seite stellen; dafür ist sie ihnen aber an Vornehmheit der Herkunft und die große Zahl an Unicis und Seltenheiten ersten Ranges unbedingt überlegen. Sie ist die einzige Sammlung dieser Art, die ihren Ursprung wohldokumentiert bis in das 16. und 17. Jahrhundert (vor allem durch die Kollektion Erzherzog Ferdinands von Tirol auf Schloss Ambras) zurückführen kann; und das gibt ihr, abgesehen davon, daß sie die Instrumentalmusik der Spätrenaissance in originalen Stücken alter Provenienz fast lückenlos darstellt, ihren einzigartigen Charakter. (Schlosser 1920, 7). Nicht nur wird von Schlosser auch in der zitierten Passage im Widerspruch zu Turmalins These die herausragende Bedeutung der SAM betont – der oben (von den Autoren der Gegendarstellung hervorgehobene) letzte entscheidende Halbsatz wird von Turmalin weggelassen; er passte offensichtlich nicht in sein eigenes „Narrativ“, dass nämlich der einzigartige Charakter der SAM eine propagandistische Erfindung der Nazis sei, die von den Akteuren der SAM von 2015 unhinterfragt aufgegriffen und weitererzählt wird.

Das „Narrativ“ einer Musikinstrumentensammlung lässt sich seriöserweise nicht aus teilweise unvollständig zitierten Passagen von Publikationen und Homepages ablesen, sondern erschließt sich aus den jahrzehntelangen wissenschaftlichen, museumspädagogischen und künstlerischen Aktivitäten. 

Dazu einige Beispiele:
.) Ab den 1950er Jahren kam es in der SAM zur entscheidenden Wiederbelebung der Alten Musik durch Josef Mertin und seine Schüler wie Nikolaus Harnoncourt oder Eduard Melkus, sowie Gustav Leonhardt, René Clemencic u.v.a.
.) Vorträge und Radiosendungen weckten großes allgemeines Interesse an historischen Instrumenten und ihren Klängen.
.) Gründung der CIMCIM (ICOM) durch Victor Luithlen 1951–1960.
.) Ab den 1960er Jahren war der Bestand der SAM eine der Hauptquellen für international tätige Instrumentenbauer, die Nachbauten der originalen Objekte anfertigten. Durch diese weltweit gespielten Kopien wurde die historisch informierte Aufführungspraxis maßgeblich geprägt.
.) Nach vereinzelten Konzerten in den 1980er und 1990er Jahren wurden nach 2000 jährlich Konzertzyklen implementiert und neun CDs produziert, die den Klang der sammlungseigenen Objekte in vorbildlicher Art dokumentieren. 
.) 1972–1988 wurden durch Peter Kukelka (ehemaliger Restaurator der SAM) an der Akademie der bildenden Künste Musikinstrumentenrestauratoren ausgebildet. Seit der Habilitation von Alfons Huber (1996) im gleichen Fach wird diese akademische Ausbildung in Kooperation mit der Akademie bis heute fortgesetzt.

Die SAM war bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund ihrer wissenschaftlichen und künstlerischen Aktivitäten bis heute international eine impulsgebende Kraft. Zwischen 1998 und 2015 entstanden vier wissenschaftliche Kataloge, die weltweit neue Maßstäbe gesetzt haben. Über ein vollständiges Bild der rezenten Aktivitäten geben ab 2001 die Jahresberichte des KHM Auskunft. Die 2017 vom FWF durchgeführte Evaluierung des KHM attestierte der SAM einen im Hinblick auf die bescheidenen personellen und finanziellen Ressourcen überdurchschnittlichen wissenschaftlichen Output. 

Im letzten Kapitel der Publikation von Turmalin heißt es unter anderem „Bei der Transferierungsdebatte 2015 wurde offensichtlich, dass die Argumente, mit denen die Bedeutung der SAM untermauert wurde, mehr Mittel zum Zweck waren und weniger den Tatsachen entsprachen“ (Turmalin 2018, 107). Und im vorletzten Absatz des Buches ist erneut zu lesen: „Es wurde gezeigt, dass die heutige SAM bei weitem mehr von der Kulturpolitik der NS-Zeit beeinflusst wurde und auch organisatorisch nichts mit der 1916 gegründeten Teilsammlung zu tun hat. Somit konnte auch die der Arbeit zugrunde gelegte Hauptthese verifiziert werden.“ (Turmalin 2018, 109). 
Abgesehen davon, dass die SAM heute um rund 1000 Objekte mehr hat als zur Zeit ihrer Gründung bzw. ca. 750 mehr als am Ende der Nazi-Zeit, werden mit dieser von Turmalin formulierten Unterstellung die heutigen Kuratoren und Restauratoren der SAM geistigen Erben der NS-Zeit gleichgesetzt – eine Diffamie am Rande des Legalen, die eine Ungeheuerlichkeit im Rahmen einer durch einen Verlag gedruckten Master-Thesis darstellt. 

Wie tendenziös Turmalin schon bei niederschwelligen Internet-Recherchen vorgeht, sei anhand eines Beispiels angeführt: Um die Sorgen über den uneingeschränkten Fortbestand der Sammlung, die 2015 auch im Parlament vorgetragen wurden, als ausschließliches Anliegen der im politischen Spektrum rechts positionierten Parteien erscheinen zu lassen, verschweigt er eine parlamentarische Anfrage von Wolfgang Zinggl (damals Die Grünen), der als erster mit profunden Fragen auf die drohende Problematik in Zusammenhang mit der Errichtung des Weltmuseums aufmerksam machte. Damals war die räumliche Einteilung der Neuen Burg bezüglich der „Redimensionierung“ des Weltmuseums diskutiert worden. Das Interesse an dem Erhalt der Instrumentenausstellung von Walter Rosenkranz (FPÖ) bringt Turmalin mit der Gemeinderatswahl im Oktober 2015 in Verbindung (Turmalin 2018, 97). Dabei übersieht er, dass der studierte Gitarrist und Lautenist Rosenkranz ein fachmännisches Interesse am bestmöglichen Erhalt der Ausstellung und Sammlung hatte. Dass Turmalin auch die im Kulturausschuss vertretene kritische Meinung von Rektorin Eva Blimlinger in der Causa SAM in seiner Publikation vollkommen verschweigt, ist ebenfalls Beleg für seine unsachliche Vorgangsweise. 

Was in der Arbeit dezidiert in Abrede gestellt wird, ist die für Fachleute und Liebhaber der Musik seit 100 Jahren unbestrittene internationale Bedeutung des Sammlungsbestands, dessen Strahlkraft bereits zur Zeit der Sammlungsgründung bis nach New York, Brüssel und Kopenhagen reichte, wo damals Kopien singulärer Instrumente der SAM angefertigt wurden. Auch dies ist Turmalin nicht bekannt, obwohl er – beim Zentenar-Symposium 2016 zumindest zeitweise anwesend – die Gelegenheit gehabt hatte, es in den Vorträgen zu erfahren.

Zu dem von Turmalin geäußerten Vorwurf, ihm sei der Zugang zum Archiv der SAM verwehrt worden, ist festzustellen: Nach seiner Anfrage im Jahr 2016 betreffend den freien Zugang zum Aktenmaterial der SAM, wurde ihm dies, nach Absprache mit der Generaldirektion des KHM, nicht gestattet, da es sich um eine Registratur und nicht um ein historisches Archiv mit abgeschlossenem Bestand handelt. Die chronologisch fortlaufenden Akten mit größtenteils aktueller Korrespondenz werden ausschließlich bei behördlichen Überprüfungen vorgelegt. Außerdem liefen und laufen über demselben Aktenmaterial aktuelle Forschungsprojekte der Mitarbeiter der SAM. Daher wurde Turmalin angeboten, seine Fragen schriftlich zu beantworten, wovon er auch Gebrauch machte und Hilfestellungen sowie Hinweise von den Mitarbeitern der SAM annahm. Auch kam es zu einem persönlichen Gespräch in der Direktion der SAM. Doch all das bleibt in seiner Publikation unerwähnt.

Fazit
Die Publikation von Turmalin erfüllt methodisch und inhaltlich nicht den Anspruch einer seriösen wissenschaftlichen Arbeit:
.) Es werden historische Fakten verdreht und geleugnet.
.) Zitate werden sinnentstellend verkürzt.
.) Aktive Museumsmitarbeiter werden der Perpetuierung eines NS-Narrativs bezichtigt und der bewussten Tatsachenverdrehung. Dies ist auf das Entschiedenste zurückzuweisen. 

Rudolf Hopfner
Beatrix Darmstädter
Alfons Huber

 

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