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Das Kunsthistorische Museum trauert um

em. Univ. Prof. Mag. Gerald Kaspar (1926 – 2021)

Gerald Kaspar mit dem Allerheiligenaltar von Albrecht Dürer um 1991

Am 24. Februar ist Gerald Kaspar, Restaurator an der Gemäldegalerie und Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien, verstorben. Gerald Kaspar war eine in jeder Hinsicht herausragende Persönlichkeit, der das KHM bedeutende Erneuerungen in der Methodik der Konservierung und generell auf dem Gebiet der Museologie verdankt.

Gerald Kaspar, 1926 in Wien geboren, studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien Malerei und Graphik, bevor er sich dem Gebiet der Gemälderestaurierung zuwandte und 1960 das Fachstudium Konservierung und Technologie an der Meisterschule Prof. Eigenberger abschloss. An das KHM kam er 1965, als die Gemälderestaurierung von Prof. Joseph Hajsinek geleitet wurde. Neben Joseph Hajsinek waren es Franz Sochor, technischer Restaurator, und Hubert Dietrich, die für ihn in der Zusammenarbeit prägend waren.

In den Jahren seiner freiberuflichen Praxis (1968 – 1981) arbeitete Gerald Kaspar auch an verschiedenen bedeutenden internationalen Museen v.a. im angloamerikanischen Raum, immer bestrebt, ein tiefes und umfassendes Verständnis restauratorischer Methoden und Einstellungen zu erlangen.

Seine Lehrtätigkeit begann Gerald Kaspar 1981 an der Meisterklasse für Restaurierung und Konservierung der Universität (damals Hochschule) für angewandte Kunst bei Prof. Hubert Dietrich, mit dem er einen neuen Studienzweig für Gemälderestaurierung aufbaute. 1983 kehrte er in das Kunsthistorische Museum zurück.

Im Bewusstsein, dass eine effektive restauratorische Arbeit nur in einem entsprechenden Umfeld möglich ist, war ihm die Rolle der Naturwissenschaften und die technische und organisatorische Ausstattung der Museen ein großes Anliegen, ebenso deren professionelle Sammlungsverwaltung. Ausgehend von den damals schlechten klimatischen Zuständen in der Gemäldegalerie (konkreter Anlass war ein deutlich größer gewordener Sprung im Allerheiligenbild von Dürer), hat er durch seine überzeugende Argumentation und sein energiegeladenes Auftreten den Anstoß zur „Museumsmilliarde“ gegeben, durch die eine Generalsanierung der Gemäldegalerie und in der Folge auch Sanierungen in anderen Bundesmuseen ermöglicht wurden.

Gemeinsam mit Hubert Dietrich hat Gerald Kaspar die Restaurierwerkstätte der Gemäldegalerie auf eine neue, dem Rang der Sammlung angemessene Grundlage gestellt. Er hat den Aufbau eines bis dato an mitteleuropäischen Museen unbekannten Registrarwesens in Gang gesetzt wie auch die Gründung des naturwissenschaftlichen Labors – beides heute nicht mehr wegzudenkende Fachabteilungen maßgeblicher Sammlungen.

Neben seiner Überzeugungsarbeit für die elementare Bedeutung geeigneter klimatischer Bedingungen, ohne die jegliches restauratorische Bemühen zum Scheitern verurteilt ist, verdankt ihm das KHM die methodische Neuausrichtung der Tafelbildkonservierung. Er bewirkte eine Wende zu minimal invasiven Methoden – im Gegensatz zur bisher praktizierten Parkettierung, deren Folgeschäden er nie müde wurde aufzuzeigen. Raffaels Madonna im Grünen konnte er durch seine fachlich fundierte Überzeugungskraft vor einer erneuten Parkettierung bewahren.

Gerald Kaspar war gegen die bis dato praktizierte Trennung der sogenannten künstlerischen Restaurierung – wie z.B. das Entfernen gegilbter Firnisse oder das Ergänzen von Fehlstellen – von der sogenannten technischen Restaurierung, der konservatorischen Behandlung von Leinwand oder Holz, die bis dahin oftmals als rein handwerklich (unter)bewertet worden war. Beide erfordern, wie er richtig erkannte, neben dem handwerklichen und künstlerischen Können eine entsprechende technologische und wissenschaftliche Grundlage.

Seine wohl wichtigste Arbeit war die langjährige Konservierung des Allerheiligenbildes von Albrecht Dürer, für die neue Wege zu beschreiten waren. Um die vielfältigen Fragestellungen bestmöglich zu bewältigen, nützte er auch hier intensiv seine internationalen Kontakte.

Ein weiteres wesentliches Anliegen war Gerald Kaspar die umfangreiche photographische Dokumentation von Restaurierprozessen und Zwischenzuständen, die weit über das damals übliche Niveau von Vorher- und Nachher-Aufnahmen hinausging. Wichtige Verbesserungen der technischen Ausstattung der Restaurierwerkstätte gehen auf ihn zurück, wie z.B. der Ankauf eines Operationsmikroskops (des ersten am Haus!) und einer Infrarotreflektographiekamera.

Die Berufung von Gerald Kaspar als ordentlicher Professor der Akademie der bildenden Künste Wien erfolgte 1986.

Gerald Kaspar war eine absolut singuläre Erscheinung, die niemanden unbeeindruckt ließ. Sein energisches, mitunter unorthodoxes Auftreten war immer in der Sache begründet. Sein Einsatz war enorm, Konflikte oder persönliches Risiko wurden nicht gescheut. Neben dem resoluten Habitus, seinem manchmal gefürchteten Temperament waren es seine umfassende Bildung, seine künstlerische Sensibilität und Offenheit, sein aufblitzender Humor sowie seine Großzügigkeit und tiefe Menschlichkeit, die ihn ausmachten.

Nur mehr wenige der heute im KHM Beschäftigten werden ihn wahrscheinlich kennen. Jenen, die ihn gekannt haben, bleibt er unvergesslich.

Unser tiefes Mitgefühl gilt Erna Kaspar, seiner Frau.


HR Mag. Elke Oberthaler
Leiterin der Restaurierwerkstätte der Gemäldegalerie

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