Kunstgeschichten

Entdecken Sie in der Rubrik Kunstgeschichten abwechslungsreiche Essays zu verschiedensten Kunstwerken aus unseren umfangreichen Sammlungsbeständen.

Ausgleich und Harmonie

Raffael, Madonna im Grünen, 1505/06, KHM, Inv.-Nr. GG 175

Neuerdings und hier in Florenz verzichte ich auf meinen Thron. Demutsvoll habe ich auf dem Boden der Natur - wenn auch etwas erhöht - Platz genommen.

Jesus hat erst vor kurzem die ersten Schritte auf weichem Gras gemacht, er tastet sich elegant vor, ich halte ihn noch ein wenig.

 Wie weich und warm er sich anfühlt.


Seine zarte Haarpracht entwickelt sich gut, seine Haut schimmert elfenbeinfarben, seine leicht geröteten Wangen passen gut ins Bild.

Ich selbst verberge gekonnt, worauf ich sitze, denn hier geht es um Harmonie und Schönheit, weniger um irdisch verhafteten Realismus.

Mein linker Fuß vollendet das Dreieck, das ich gemeinsam mit dem kleinen Johannes bilde.

Böse Zungen behaupten, er sei nur aus diesem Grund bei uns – doch ich erinnere gerne an die alte Legende, in der erzählt wird, dass uns nach der Heimkehr aus Ägypten der kleine Johannes tatsächlich begegnet sei.

In der Wüste.
Künstlerische Freiheit.

Ich bin wohl vor allem als Kunstwerk entstanden, auch wenn ich ein edel ausgeführtes Andachtsbild bleibe.



Ihr seht uns in einer weich gezeichneten Landschaft mit kurzem, vielleicht etwas von Moos durchzogenem Gras, Büschen, einer Mohnpflanze, Erdbeeren, mit Bäumen, einem See mit Uferbebauung, Hügeln und Bergen. Beschienen von unsichtbarer Sonne durch einen blassblauen, von Schönwetterwolken bevölkerten Himmel.

Jesus und Johannes teilen ein Spielzeug: es ist das Kreuz, an dem mein Sohn sterben wird.


Dabei ist es auf mich gerichtet. 


Ich versuche den Gedanken an das Schicksal zu verdrängen. Unsere innige Dreiecksbeziehung wird alle Zeiten überdauern.

geschrieben von Cäcilia Bischoff am 26.4.2017 in #Ich bin Maria
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