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EUROPA OHNE GRENZEN

Beispiele zur Entstehung der künstlerischen Vielfalt Europas

Das Kunsthistorische Museum veranstaltet aus Anlass der Ratspräsidentschaft Österreichs in der Europäischen Union 14. März bis 5. Juni 2006 im Sonderausstellungssaal eine Ausstellung aus den Beständen der Gemäldegalerie, der Kunstkammer sowie der Hofjagd- und Rüstkammer zum Thema eines Europa ohne Grenzen. Die dafür ausgewählten Kunstwerke, ihre Künstler, die dargestellten Themen und nicht zuletzt die Geschichte der Werke zeugen von der kulturellen und künstlerischen Vielfalt in Europa, in dem zugleich nationale Grenzen nie ein Hindernis für den Austausch von neuen Ideen bildeten. Sie beweisen, dass für Künstler Europa immer eine selbstverständliche Einheit war, in der sie sich freier als andere bewegten und fremden Anregungen und Einflüssen gegenüber offen waren. Künstler hatten keine Scheu, außerhalb ihrer Heimat tätig zu sein; oft wurden sie von den Auftraggebern den Einheimischen vorgezogen.

Die Auswahl an Werken spannt sich zeitlich vom frühen 15. bis ins 18. Jahrhundert. Am Anfang stehen Bilder, die dem so genannten Internationalen Stil angehören, der in den europäischen Kunstzentren um 1400 vorherrschend war. Es handelt sich um Werke höfischer Künstler, die sich durch große Mobilität auszeichneten und für wenige Jahre in Paris, Prag, Wien, dem Rheinland und Oberitalien einen gleichartigen, durch besonders elegante Formen gekennzeichneten Stil schufen. Der Altar mit der Verkündigung Mariens und der Mystischen Vermählung der hl. Katharina vom Meister von Heiligenkreuz ist charakteristisch dafür; der wahrscheinlich französische, nach anderer Vermutung österreichische Künstler hinterließ sein Hauptwerk in Stift Heiligenkreuz. Zur gleichen Zeit entstand das Bildnis Kaiser Sigismunds, der aus der Dynastie der Luxemburger stammte und als König von Böhmen und von Ungarn Macht besaß. Sein Bildnis wurde lange für ein Werk des italienischen Künstlers Pisanello gehalten, stammt aber wahrscheinlich von einem in Prag tätigen Hofmaler.

Mit der dominanten Rolle, die Italien im Lauf des 15. Jahrhunderts in der Entwicklung der europäischen Kunst erlangte, wurde seine Anziehungskraft auf transalpine Künstler immer größer. Albrecht Dürer war der erste deutsche Maler, der von seinen beiden Italienreisen humanistische Themen, malerische Brillanz, aber auch ein neues Selbstbewusstsein als Künstler in seine Heimat mitnahm. In der Folge hielten sich zahlreiche Künstler aus dem Norden, vor allem aus den Niederlanden, für kurze oder längere Zeit in Italien auf. Maerten van Heemskerck studierte in Rom die antiken Denkmäler und imaginierte phantasievoll einen Zug von Bacchanten, während Lambert Sustris mit Kolosseum und Pantheon eine antike Stadt erfand. Am Beginn des 17. Jahrhunderts war Peter Paul Rubens für mehrere Jahre als Hofmaler der Gonzaga in Italien tätig und orientierte sich unter anderem an Tizian; im weiteren Verlauf des Jahrhunderts zogen holländische Maler nach Rom und bildeten hier eine Künstlerkolonie, die dem heiteren Volksleben nicht nur in der Malerei frönte.

Hofmaler waren im besonderen Maß zur Internationalität verpflichtet; sie wurden an fremde Höfe geschickt, um Bildnisaufträge auszuführen. Kaiser Karl V. beorderte Tizian nach Augsburg, damit dieser dort den gefangen gehaltenen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen porträtierte. Ebenfalls für Karl V. tätig war der Bildhauer Leone Leoni, der Bildnisbüsten des Kaisers und seiner Schwester schuf. Der im Dienst König Philipps II. von Spanien stehende Holländer Anthonis Mor, zusammen mit Tizian und anderen der Schöpfer des Typus des höfischen Porträts, hielt im Bildnis Anna von Österreich, die vierte Gemahlin Philipps, fest. Manche Künstler, wie Michiel Sittow, legten auf ihren Reisen riesige Entfernungen zurück: In der Hansestadt Reval (heute Tallinn in Estland) geboren, dann in den Niederlanden und als Hofmaler Königin Isabellas der Katholischen in Kastilien tätig, porträtierte er deren Tochter Katharina, die spätere erste Gemahlin König Heinrichs VIII. von England. Für Heinrich VIII. war auch Hans Holbein d. J. tätig, der das reformierte Basel mangels größerer Aufträge verlassen hatte, um in London ein neues Betätigungsfeld zu finden. Hier porträtierte er unter anderem in der Hanseniederlassung deutsche Kaufleute.

Der kunstbesessene Kaiser Rudolf II. sammelte an seinem Hof in Prag eine Gruppe internationaler Künstler und Wissenschaftler. Noch bedeutender als die Maler, unter ihnen Bartholomäus Spranger, waren Kunsthandwerker, die goldgefasste und mit Email verzierte Gefäße aus geschnittenen Halbedelsteinen oder seltenen und wertvollen Materialien der belebten Natur wie Narwalzähnen oder Elfenbein oder komplizierte Uhren herstellten.

Aus wirtschaftlichen Gründen, aus Interesse an neuen Ideen und künstlerischen Errungenschaften, als reisende Hofmaler waren die Künstler der Vergangenheit in Europa unterwegs. Aber auch die Kunstwerke selbst haben ihre Itinerarien und Reisegeschichte. Die große und bedeutende Sammlung venezianischer Malerei im Kunsthistorischen Museum etwa kam nicht auf direktem Weg aus Venedig nach Wien. Vielmehr hatte Erzherzog Leopold Wilhelm einen großen Teil dieser Bilder als Statthalter in den Niederlanden gesammelt, als die Galerien König Karls I. von England und seiner höfischen Entourage, wie des Duke of Hamilton, im Zug des Bürgerkriegs zum Verkauf gelangten. Als diplomatische Geschenke eigneten sich Kunstwerke im besonderen Maß, vor allem, wenn es sich um Porträts oder um Gegenstände von großem Wert oder kostbarer Ausführung handelte, wie dies etwa bei dem Prunkharnisch der Fall ist, den Philipp II. von Spanien an Alessandro Farnese schenkte; dieser gab ihn dann an Erzherzog Ferdinand II. für dessen Sammlung weiter.

Information

14. März 2006
bis 5. Juni 2006

Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums anlässlich der Ratspräsidentschaft Österreichs in der Europäischen Union

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