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Meisterwerke aus den habsburgischen Kunst- und Wunderkammern

In der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums sind die einzigartigen Bestände der habsburgischen Kunst- und Wunderkammern vereint, die anlässlich der Errichtung des 1891 eröffneten k. und k. Kunsthistorischen Hofmuseums an der Wiener Ringstraße dort zusammengeführt wurden. Wenngleich die Kunstkammer derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossen ist, bietet die Sonderausstellung dem Publikum mit etwa 70 Objekten Zugang zu einem kleinen, dafür aber höchst exquisiten Teil dieser Sammlung.

Die im Europa des 16. Jahrhunderts entstandenen Kunst- und Wunderkammern gelten als Vorläufer der heutigen Museen. In diesen komplexen, zumeist fürstlichen Sammlungen waren nicht nur von Menschenhand geschaffene Kunstgegenstände vereint, sondern auch rare Objekte, die wegen ihres Materials und Aussehens als fremdartig bzw. außergewöhnlich empfunden wurden. Dazu zählen neben Goldschmiedearbeiten, Werken des Steinschnitts sowie von namhaften Künstlern geschaffenen Gegenständen aus Elfenbein und Bronze wissenschaftliche Instrumente, Automaten, Uhren und Spiele, ferner Exotica, Kuriosa und Mirabilien, etwa Straußeneier, Bezoare und Einhörner. Eine Aufgabe der Kunstkammern bestand darin, als eine Art Mikrokosmos den Makrokosmos der Erde widerzuspiegeln, der im übertragenen Sinn als „Kunstkammer Gottes“ verstanden wurde; sie konnten wegen der Vielseitigkeit ihrer Bestände als „Universum im Kleinen“ gelten. In den zusammengetragenen Objekten spiegeln sich freilich nicht nur Wissensdurst und Neugierde (curiositas) der jeweiligen Besitzer, die vielleicht wichtigsten Antriebsfedern der Sammelleidenschaft, sondern zugleich auch die Freude am Schönen und Kostbaren.

Zu den ältesten ausgestellten Objekten gehört die aus karolingischer Zeit stammende Elfenbeinplatte mit der Darstellung des hl. Gregor (um 875), des nach diesem Hauptwerk von seiner Hand benannten „Meisters der Wiener Gregorplatte“.

Unter den berühmten Goldschmiedearbeiten der Kunstkammer befindet sich der so genannte Michaelsbecher (um 1530/40), ein aus Gold gefertigter Pokal, der teilweise emailliert sowie mit Diamanten, Smaragden, Rubinen und Perlen besetzt ist.

Der Grundstock der Wiener Kunstkammer wurde zwei Sammlerpersönlichkeiten aus dem Hause Habsburg gelegt: von Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595), der auf Schloss Ambras bei Innsbruck eine reichhaltige Kunstkammer zusammentrug, und von Kaiser Rudolf II. (1552–1612), dessen unermessliche Schätze vor den Wirren des Dreißigjährigen Krieges zum Teil von Prag nach Wien gerettet werden konnten. Aus dem Besitz Ferdinands wird etwa das mit seinem Wappen versehene, in Innsbruck zwischen 1575 und 1577 gefertigte Spielbrett zu sehen sein. Rudolf war der Mäzen des Bildhauers Adriaen de Vries (1545–1626). In der Ausstellung wird neben der berühmten Porträtbüste Rudolfs von der Hand dieses Künstlers aus dem Jahr 1603 auch die Bronze mit der Darstellung von Christus an der Geißelsäule (um 1613/15) gezeigt. Ein weiteres Meisterwerk der rudolfinischen Kunstkammer ist die Seychellennuss-Kanne (1602) von Anton Schweinberger.

Aus dem Bereich des Steinschnitts ist eine um 1580 entstandene Deckelschale aus Prasem von der Hand des Gasparo Miseroni ausgestellt. Das im Inventar der Kunstkammer Rudolfs II. in Prag von 1607/11 aufgelistete Objekt besticht durch seine ausgewogenen Proportionen und seine subtile Eleganz.

Von Jacopo Alari-Bonacolsi, genannt Antico stammen zwei teilvergoldete Bronzebüsten von Bacchus und Ariadne (1520/25). Die beiden Büsten zeichnen sich durch ihre sorgfältige Ausführung und klassische Harmonie aus. Sie wurden vermutlich für Isabella d’Estes berühmte Kunstkammer, die sogenannte Grotta im Palazzo Ducale in Mantua, geschaffen.

Unter den Elfenbeinarbeiten ragt die nach 1680/85 entstandene virtuose, auf einem Vorbild Berninis basierende Gruppe von Apollo und Daphne des Tiroler Elfenbeinschnitzers Jacob Auer hervor.

Aus der Gruppe der Uhren und Automaten wird eine aus Silber bestehende, teilvergoldete, mit Email und Edelsteinen besetzte Figurenuhr mit Diana auf einem Kentauren von Hans Jacob Bachmann gezeigt, die um 1695/1600 zu datieren ist und aus der Kunstkammer Rudolfs II. in Prag stammt. Die Gruppe verfügt im Sockel über Räder und konnte sich damit vorwärts bewegen. Gleichzeitig rollten bei Inbetriebnahme die Augen des Kentauren, er schoss einen Pfeil ab, und Diana sowie der neben ihr platzierte Jagdhund, der sein Maul öffnen kann, drehten die Köpfe.

Bezoare entstehen im Magen oder Darm einiger Widerkäuer und fanden bis ins 18. Jahrhundert als Heilmittel gegen diverse Krankheiten und als geheimnisvolles Schutzmittel gegen Vergiftungen Verwendung. Das in der Ausstellung gezeigte exotische Objekt verdeutlicht die Wertschätzung dieses Materials im 16. Jahrhundert, die an der damals angebrachten kostbaren, mit Edelsteinen verzierten Fassung erkennbar wird.

Der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe des Kunsthistorischen Museums, der heutigen Kunstkammer, wurden nach dem Zusammenbruch der Monarchie die Sammlung der Linie Österreich-Este und der umfassende, zuvor der Ausgestaltung der kaiserlichen Schlösser dienende Tapisserienbestand angegliedert. Unter den aus altem kaiserlichen Besitz stammenden Tapisserien wurde für die Ausstellung ein aus Wolle und Seide unter reicher Verwendung von Edelmetallfäden angefertigter Wandbehang mit dem Thema Die Israeliten sammeln Manna in der Wüste aus einer Moses-Serie ausgewählt, die in Brüssel, der Hochburg der Tapisserieproduktion im 16. Jahrhundert, entstand.

Information

12. Juli 2005
bis 18. September 2005

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